Je höher die Kaderposition, desto geringer ist der Frauenanteil. Das ist eine Verschwendung von Humankapital, das die Wirtschaft dringend braucht. In erster Linie sollten Rahmenbedingungen bestehen oder geschaffen werden, die Frauenkarrieren von selbst ermöglichen. Offensichtlich genügt aber blosses Abwarten auf eine natürliche Korrektur im Laufe vieler Jahre nicht. Es braucht ein planmässiges proaktives Vorgehen durch die Unternehmen. Dies setzt voraus, dass das Problem erkannt wird und der Wille besteht, Lösungen zu suchen. Diese bestehen in einem gezielten Engagement durch die Unternehmen und in der Ermunterung der Frauen, sich dieser Herausforderung aktiv und selbstbewusst zu stellen. Angesprochen sind damit auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Aufgabenteilung in den Familien zwischen Mann und Frau.
Frauen sind gut ausgebildet. Dieses Humankapital zu benützen liegt im Interesse der Firmen; es dient der langfristigen Sicherung des Arbeitskräftepotentials. Frauen in Entscheidungsfunktionen können Einfluss auf Kultur, Themen und Projekte nehmen. Eine Durchmischung von Männern und Frauen bringt den Firmen langfristig bessere Ergebnisse. Das ist nicht nur ein Imagegewinn, sondern auch ein Wettbewerbsvorteil.
Wo liegt das Problem?
Frauen sind in Führungspositionen untervertreten. Damit entgehen der Wirtschaft Fähigkeiten und Leistungen, die sowohl für die Firmen als auch für die Frauen sinnvoll eingesetzt werden sollten. Warum sind Frauen in Führungspositionen untervertreten? Gibt es eine «gläserne Decke», die sie davon abhält? Melden Frauen ihre Ansprüche nicht an, trauen sie sich das nicht zu, oder wollen sie gar keine Karriere machen? Was müsste man ändern, um die Situation zu verbessern?
Mit solchen Fragen ist unser Verband konfrontiert, und wir möchten der UngewissheitFakten gegenüberstellen. Wir haben das Thema an einer Tagung «Frau und Karriere» am 20. September 2002 behandelt. Wir führen damit auch unsere Anstrengungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie fort, die in der Broschüre «Familienplattform», den «Tipps für Arbeitgeber» Nr. 24 und auf der Internetseite www.familienplattform.ch beschrieben sind. Die Soziologin Dr. Margret Bürgisser hat in ihrer umfassenden Analyse «Frau und Karriere» im Auftrag unseres Verbandes wesentliche Aspekte zum Thema aufgearbeitet; die Tipps basieren auf diesen Erkenntnissen.
Obwohl der Anteil der Frauen an allen Arbeitskräften in der Schweiz inzwischen 44,6 % beträgt und Frauen bald die Hälfte aller Hochschulabgängerinnen stellen, liegt der Frauenanteil im höheren Kader nur halb so hoch wie der Anteil der Männer. Frauen in hohen Kaderpositionen verfügen über durchschnittlich höhere soziale Ressourcen als Männer. Sie stammen oft aus einem privilegierten Milieu, haben einen überdurchschnittlich hohen Bildungsstand und haben gut gebildete, berufsorientierte Mütter. Dieses soziale und kulturelle Kapital ist eine Erklärung dafür, dass es diesen Frauen gelungen ist, die den Aufstieg behindernden Faktoren zu kompensieren.
Selbst wenn Frauen den beruflichen Aufstieg geschafft haben, kämpfen sie mit Problemen, die für Minderheiten typisch sind. Führungsfrauen sind exponiert und stehen im Rampenlicht. Man erwartet von ihnen Anpassung an männliche Karrieremuster, sie sind aber in männlichen Beziehungsnetzen kaum präsent. Innerhalb von 10 Jahren hat sich in den Führungsetagen wenig zugunsten der Frauen verändert. Das dürfte nach Ansicht von Experten mittelfristig so bleiben, sofern nicht wirksame Massnahmen ergriffen werden. Wenn Unternehmen sich das Humankapital der Frauen erschliessen wollen, müssen sie zwingend nach Strategien der Frauenförderung Ausschau halten. Ohne die Etablierung langfristig angelegter Programme und gezielter Interventionen wird sich das Missverhältnis in naher Zukunft nicht ändern. «Gender Mainstreaming» hat in der Schweiz, vor allem im privatwirtschaftlichen Bereich, kaum Fuss gefasst. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig und liegen nicht nur im betrieblichen, sondern auch im persönlichen und gesellschaftlichen
Bereich.
In der Wissenschaft spricht man von einer «gläsernen Decke», welche die Karriere von Frauen behindert. Damit sind unsichtbare Barrieren gemeint, welche den Aufstieg der Frauen in Top-Positionen – trotz bester Qualifikationen – verunmöglichen. Trifft diese Feststellung zu, bleibt die Frage, wie diese «gläserne Decke» zum Vorteil der Unternehmen beseitigt werden kann.
Quelle: Schweizerischer Arbeitgeberverband PDF
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